St. Galler Tagblatt, 10. April 2006

Veronika und all die andern

Rorschach. Sie werden sich wohl nie ändern: die zwei Herzensbrecher Jerome und Guillaume. Zu viel haben sie in ihren Chansons schon versprochen. Wen wundert es, dass sie nun auf der Flucht sind? Ihre Yacht kenterte am Freitag im Rorschacher Hafen.

Rosmarie Lutz

Trotz Vorankündigung fanden wenig Zuschauer den Weg ins Hafenbuffet. Ob das A-cappella-Festival der Grund dafür war, liess die Diskussion der Organisatoren offen. Der Programmbeginn wurde kurzerhand eine halbe Stunde nachverlegt und schliesslich sass dann doch ein munteres Häufchen gespannt an den runden Tischen. Jerome und Guillaume haben sich mit Smoking und smarten Schlagern bereits einen einschlägigen Namen gemacht. Auf das neue Programm «von vorne» durfte das Publikum gespannt sein. Gefesselt in Handschellen betraten sie unrasiert und zerzaust die Bühne. Der weisse Anzug schmutzig und zerrissen.
Flucht nach vorne
«Wir sind auf der Flucht», erzählen die beiden und entschuldigen sich bei Nathalie. Ihr gehört die Yacht, mit der sie nach Rorschach gekommen sind. «Unser Anwalt wird eine Lösung finden, die alle zufrieden stellt», meint Jerome selbstbewusst. Die beiden Jungs sehen mitgenommen aus. Trotzdem. Ein Lied, ein einziges, wollen sie dem Publikum singen. Vorher erzählen sie vom Künstlerleben, das nicht ohne Drogen zu bewältigen ist und von ihrer Flucht, da ihnen die Bretter, die die Welt bedeuten, unter den Füssen weggezogen wurden. In solchen Situationen helfen nur Vitamine und davon können die beiden ein Liedchen singen und auch von Nathalie, die sie an einer Cocktailparty zum ersten Mal gesehen haben. Jerome (Häna Ruppanner) zerfliesst singend in Selbstmitleid, Guillaume (Willi Häne) begleitet am Piano. Die Erinnerungen werden mehr und mehr.
Liebesgeflüster und Minirock
«Veronika, Susan, Jeannette, May, wie schön war die Zeit mit euch!» Für jede ist ein Chanson im Gepäck, die allesamt aus Guillaumes Feder stammen. Besonders stark das Lied für Yvonne. Diese Geschichte hat Jerome noch nicht verdaut, er ist dem Weinen nah. «Schon wieder», sagt Guillaume, schaltet die Automatik seines Pianos ein und feilt sich die Fingernägel. «Da, da, da?, la, la, la? Yvonne», singt Jerome und täuscht so über seine Wortlosigkeit hinweg.
Die Erinnerung an Frau und Minirock hat die Zeit zurückgedreht. Jerome und Guillaume stehen nach der Pause in schneeweissen Anzügen vor dem Publikum. Es gab bessere Zeiten, zum Beispiel die mit Marie-Louise, der Coiffeuse. Männergespräche auf dem Frisierstuhl. «Marie-Louise frisiert Haar und Seele», erzählt Jerome. Leider mag sie langes Haar und steht nicht auf seine Glatze. Die musikalische Kreuzfahrt durch das Leben zweier Herzensbrecher führt nach Vanessa, Lara, Brigitte und all den andern direkt ins Publikum. Rote Gutscheine für Küsse werden charmant verteilt. Und wer weiss, vielleicht ist sogar ein neues Frauenherz der Einladung an die Bar gefolgt?

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